Wachsen nach innen und nach außen Manchemal hat man den Eindruck, dass viele Menschen hochgestimmt und voller Begeisterung für den Glauben eintreten, wie bei den Ver-anstaltungen der Apostelgeschichte 2010 in Wien. Doch die Erfahrung zeigt, dass sie ebenso schnell wieder davonlaufen. Denken wir da nicht, dass Beheimatung in der Kirche doch nur Illusion ist? Wenn wir auf unsere Gesellschaft mit ihren vielfältigen Risiken schau-en, ist dieses Lebensgefühl von Angst und Unsicherheit nicht verwunderlich. Gehen wir auf den Untergang zu? Leben wir demnach in einer Art Endzeit? Verschiedene Unheilsszenarien, die uns täglich aus den Medien entgegen fluten (Klimawandel, Terror, Bakterien-verseuchung, Kriege, Meteoriten, EU-Wirtschaftskrise), könnten dies nahelegen. Zukunftsangst und das Gefühl, bedroht zu sein, sind deshalb offensichtlich berechtigt. Die Bedrängnis, die Menschen oftmals empfinden – auch wir Christ/inn/en, einschließlich der Geweihten – hat ihren Grund darin, dass wir aus der Bindung an Gott immer wieder herausfallen. Wir leben als Christ/inn/en nicht in einer frommen Gegenwelt, sondern teilen diesen „kosmos“ mit allen von Gott geschaffenen Menschen. Wo bleiben wir, die wir uns als Christ/innn/en bezeichnen, mit un-seren Erfahrungen bei den uns Weglaufenden, mit unseren katechetischen Erfolglosigkeiten, unserem Glauben, der keinen mehr hinter dem Ofen hervorzulocken scheint? Wachsen im Glauben, Wurzeln bilden, ist das vielleicht gar nur Illusion? Wachsen kann man nicht fordern. Aber man kann die Rahmenbedingungen beeinflussen, die Wachstum ermöglichen. Gemeint ist dabei ein Wachsen nach innen und nach außen, wobei beides eng miteinander verknüpft ist. Nur ein Baum mit tiefen Wurzeln kann eine ausladende Krone und gesunde Früchte tragen. Nur eine Pfarrgemeinde, die geistlich in die Tiefe wächst, wird auch in die Breite wachsen. Wir werden umso anziehender, je mehr wir Christus, sein Wort, sein Vermächtnis in den Mittelpunkt stellen. – Jesus hat uns das Geheimnis des Wachstums anschaulich im Bild vom Weinstock und den Rebzweigen gezeigt.
Wie kann Gemeindewachstum wirklich funktionieren? Nach den unzähligen negativen Zeitungs- und TV-Berichten reagie-ren viele unserer Mitmenschen mit süffisantem Lächeln und einem „Geschieht-ihnen-grad-recht!“, wenn über Kirche gesprochen wird. Die Frage „Wo steht der Einzelne, wo stehst du?“ wäre es wert, auch in unserer Pfarrgemeinde gestellt zu werden. Missionarischer Gemeinde-aufbau will und soll nicht nur über den Glauben informieren, erst recht nicht nur über theologische Wahr-heiten reden, sondern Menschen in die Lage versetzen, das zu tun, was Jesus vorgelebt hat und von uns erwartet. Auch Menschen, die glau-ben, stehen in einem fort-laufenden Veränderungsprozess. Gelingt es uns, dass sie gestärkt, vertrauend auf Gottes Hilfe, allen Ängsten und Bedrohungen mutig gegenüber stehen? Sind wir als Christen da, wenn die Menschen uns am nötigsten brauchen? Oft hören wir von enttäuschten Menschen die Worte: „Wenn es mir schlecht geht, ist keiner für mich da!” Sind wir bereit, unseren Mitmenschen seel-sorgliche Hilfe und Trost zu geben, wenn diese es brauchen? Dann erst ist Kirche glaubwürdig und unser Glaube ergibt einen Sinn. Oder wollen wir immer wieder nur das kleine 1x1 hören und darin bestätigt werden, dass Jesus uns annimmt, wie wir sind - gefließentlich den Zusatz weglassend, dass er uns – um Himmels willen – nicht so lässt, wie wir sind. Dass Jesus als das Lamm Gottes für uns starb – ohne uns die Mühe einer ge-danklicher Durchdringung dieser tie-fen Glaubenswahrheit zu machen? Denken wir darüber nach.... Es ist was an der Sache dran...
Wie gelingt geistliches Wachsen? Geistliches Wachstum geschieht nicht nur durch Teilnahme an gemeinsamen Gottesdiensten, gemeinsamen Gebeten, gemeinsamen Veranstaltungen. Stellen Sie sich vor: Sie haben eine Person, die nicht glaubt. Sie bieten Gottesdienste und Veranstaltungen an und – wenn es gut geht – wird ein Mensch zum Glauben finden. Da wird oft über Jahre hinweg den Gemeindegliedern alles anscheinend auf dem Silber-tablett angeboten, hoch professioell, beste Qualität, perfekt auf die jewei-ligen Bedürfnisse zugeschnitten. Aber die Gleichung geht trotzdem nicht auf, denn keiner achtet auf die Wurzeln des Glaubens. Das geist-liche Wachstum kann erst dann gelingen, wenn jede/r in der Pfarre auch Beispiele des Christ-Seins dem Nächsten übermittelt, persönlich gelebtes Christentum praktiziert.
Wo sind die so handelnden *Pfarrgemeinden? Es gibt nicht wenige Christ/inn/en, denen es nicht Wohl in ihrer Haut ist. Sie fragen sich: In welchen Sparten unserer Gesellschaft geht es denn noch „christlich“ zu? Erleben wir nicht eine Gleichgültigkeit den christlichen Werten gegenüber, wird das christliche Weltbild nicht ganz bewusst zerstört, die Wurzeln abgegraben? Vielleicht haben wir uns allzu lange zu sehr zurückgezogen. Unsere fromme Welt ist, trotz einzelner Probleme, im Gegensatz zur komplizierten und an Meinungen reichen Welt da draußen, einiger-maßen gut zu überblicken. Man sieht sich, man kennt sich. Die Anforderungen, die an uns gestellt werden, sind klar definiert. Deshalb wissen wir, was von uns erwartet wird und was wir „leisten“ müssen?
Die Liebe Gottes fühlbar und erlebbar machen Da stellt sich schon manchmal die Frage, warum also sollten wir diese heimelige Atmosphäre preisgeben? Und oft nimmt uns der innerge-meindliche Betrieb derart in Be-schlag, dass wir wie in einem Tunnel laufen. Ein Programm jagt das andere. Auch interne Probleme erfordern unsere ganze Aufmerksamkeit. Was rechts und links geschieht, nehmen wir, wenn überhaupt, nur noch schemenhaft wahr. Was aber erwartet uns, wenn wir vor die Kirche treten würden? Sehen wir dann die Ernüchterung? Letztlich laufen wir in weiten Teilen von Kirche und Gemeinde immer noch einem lang gehegten und breit gepredigten dualistischen Weltbild hinterher: Hier sind wir, die Guten, die Christen. Dort die (böse) Welt. Wie viele Menschen in unseren Reihen haben, beeinflusst von dieser These, den Blick abgewandt von denen da draußen, von denen, die sowieso nie in den Gottesdienst kommen? Selbstkritisch muss man eingestehen: Die meisten, die zu den großen Veranstaltungen, den Events u.s.w. kommen, die zum Glauben an Jesus eingeladen werden, sind ja längst schon Christen. Wenn jetzt immer häufiger in christlichen Medien ein Ruck gefordert wird, damit Christen eine größere Bedeutung für die Gesellschaft bekommen, dann stoßen diese Forderungen auf ein ebenso verblüfftes wie überfordertes Kirchenvolk. Eine Gemeinde, in der nur gepredigt, aber nicht gehandelt wird, ist nur einer toten Tradition verpflichtet. Lebendiges Gemeindeleben hingegen ist immer auch daran zu erkennen, dass Menschen mit neuen Ideen gefragt sind, Fernstehende und Wiederverheiratete eingeladen, Hilfsbedürftige und Angehörige von Randgruppen integriert werden. Plötzlich würde dann die Losung: Weg von der Welt-Abgewandtheit, hin zu einer Welt-Zugewandtheit heißen. Weg von den eigenen, hin zu den Problemen derer, die um unsere Kirchen herum ihr Leben zu gestalten versuchen. Eine offene Pfarrgemeinde macht nichts anderes, als die Liebe Gottes zu den Menschen in die Tat umzusetzen. Sie macht sie fühl- und erlebbar. Kommt, macht mit in unserer Pfarrgemeinde Starchant, lasst die Wurzeln tiefer und tiefer werden. Machen wir uns gemeinsam (neu) auf den Weg!
Diakon Erich Gaugitsch
Der Duft der Blüten. Die Heimat der Vögel. Die Fülle der Früchte. Das Sich-Erneuern der Blätter.
Das Aufatmen im Schatten. Das Anlehnen an den Stamm.
Das Wachsen und Werden.
Was wäre ohne die Weite und Tiefe der Wurzeln im Boden, der Kraft gibt?
text, bild: kms
(red)
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