ERNTE: GESCHENK.... AUFTRAG...
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Geschenk:
Die Fruchtbarkeit der Saat.
Die Ungewissheit des Erfolges.
Die Zeit des Reifens.
Der rechte Zeitpunkt der Ernte.
Das Erkennen der Früchte.
Der Nachgeschmack der Süße.
Die Sehnsucht nach Fülle.
Die Dankbarkeit.
Die Demut.
Das Leben.


„Ernte“ verbinden wir wohl alle mit Fülle, Freude – und Dankbarkeit?
Ernte, das bedeutet auch heute für die meisten Menschen dieser Erde harte körperliche Arbeit, Abhängigkeit von nicht beeinflussbaren Faktoren, und – genaugenommen – für die gesamte Weltbevölkerung: die Grundlage unserer Existenz. Immer aber bleibt diese Ernte Geschenk. Und Auftrag.
 Das Nachdenken über die Ernte lässt uns aber auch Fragen nach Verantwortung und Nachhaltigkeit stellen, und – auch im übertragenen Sinn – nach den Früchten, nach der Fülle unseres Lebens und nach unserer Haltung dieser gegenüber: Ist es Dankbarkeit und aus dieser erwachsende Demut, die uns bestimmt? Ist es das „Erschlagen-Sein“ von der Quantität unseres Habens und Wollens, oder das Staunen über die „Qualität“ der Schöpfung? Wo finden wir im Umgang mit den Lebens-„Feldern“, die uns zu be„ackern“ aufgegeben sind, die Balance zwischen Gottvertrauen und Engagement? Und wie gehen wir mit jenen um, die an ihren eigenen oder den von uns gestellten Vorstellungen scheitern?
Wir möchten Sie einladen, sich mit diesen Fragen ein wenig zu beschäftigen...

Kristina Sengschmied,
Editorial Pfarrblatt Herbst 2010

"Ernte"...

Der Herbst streut seine Früchte über das Land, er ist eine Zeit des Reifens und des Erntens. Die Tage werden kürzer, das Wachstum verringert sich, die Natur hüllt sich in bunte Farben, die Sonne steht tiefer. Wir ernten den Wein und das Obst und feiern Feste des Erntedanks. Unser Herz ist voll Dankbarkeit für all die Früchte des Jahres.
Säen und Ernten sind ein jährlich sich wiederholender, lebensnotwendiger Vorgang und werden zum Bild für den Erfolg menschlichen Lebens. Was gemeint ist, verstehen wir besser, wenn wir einen Vers im Zusammenhang hören, wie der Apostel Paulus ihn Mitte der fünfziger Jahre des ersten Jahrhunderts nach Christus an die frühchristlichen Gemeinden in Galatien, im Gebiet der heutigen Zentraltürkei, geschrieben hat:
„Lasst uns nicht müde werden, denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist“ (Gal 6, 9).
Ist denn nicht unser ganzes Leben ein Säen und Ernten?
Wenn wir Herbstfeste vielleicht wieder als Erntedank bezeichnen, dann lehren sie uns die Dankbarkeit Gott gegenüber. Die Sensibilität für die Natur gibt uns viel mehr und anderes als das, was jeder Erntebericht nüchtern berichtet.
Wir können uns mühen und sorgen, aber wir haben es nicht allein in der Hand, was aus unserem Leben wird.
Das ist nun einmal die eine Seite unseres Lebens.
Die andere ist:
Wir selbst, und niemand anderer – nicht die Umwelt, nicht die Abstammung –, sind verantwortlich für unser Leben und die Folgen, was wir aus unserem Leben gemacht haben, welche Ernte in unserem Leben aufgegangen ist. In mancher stillen Stunde ergibt sich vielleicht einmal die Gelegenheit, über das eigene „Ich“ nachzudenken.
Was mein Leben geleitet und ge-prägt hat, wo manchmal Gott darin seinen Stempel aufgedrückt hat. So finde ich seine Initialien, seine Erntegaben nicht nur im Guten, Strahlenden des Lebens, sondern auch im Dunklen und mühsam Suchenden.
Nun sind Urlaub und Ferien vorbei, der Alltag hat uns wieder. Von allen Enden der Erde sind wir hierher zurückgekehrt. Von den Gestaden der Südsee, von den Hängen der Alpen, von den Almen, von der sengenden Glut des Südens.
Hoffentlich auch gestärkt leben wir uns wieder mit unserer Familie in die Freuden und Leiden des Alltags ein. Da ist die immer kränker werdende Schwiegermutter, die ständig eigenwilliger werdenden Kinder. Im Beruf, in der Arbeit treffen wir wieder die Kollegen: den mit der kranken Frau zuhause, und diejenige, die ein Auge auf mich geworfen hat. Alltag! Die Urlaubsstimmung, viel-leicht auch die Urlaubsbräune sind bald dahin. Aber dieser Alltag ist unser Leben und mit den Schicksalen anderer verknüpft.
Da entscheidet sich oft – an jeder und jedem von uns – der Lebenssinn, und das existenzielle Glück anderer.
 Vielleicht wäre es ein guter Anfang für den beginnenden Alltag und einen Versuch wert, Tag für Tag ein verständnisvoller Mitmensch, ein Erntehelfer zu sein, an der seelischen und körperlichen Not, der Verzweiflung der Einsamkeit der Mitmenschen Anteil zu nehmen. Erkennen wir die Ernte, die uns von Gott beschieden ist, denn wir können nur in Zusammenhängen leben:
in der Familie, im Beruf, in der Pfarre, in den Pfarrrunden, am Fußballplatz, im Tennisclub. Überall dort treffen wir auf Jesus, unseren Bruder. Und da Begeisterung müde wird, manches „Gutestun” Schema oder vergessen wird, mit dem Welken der Blätter der Erntedank verblasst, braucht es immer wieder die Neubesinnung.
Diese Be-„Geist“-erung lebt vom im-mer wieder neuen Erkennen der Liebe unseres Heilandes Jesus Christus.
Vielleicht haben wir in dieser Jahreszeit der Dankbarkeit und Freude einmal die Gelegenheit, Menschen, mit denen wir längst zusammenleben, wieder einmal ins Gesicht zu schauen; in ihre Augen und in die Linien, die die Erfahrungen ihrer Lebensgeschichte in ihr Antlitz geschrieben haben.
So wünsche ich Ihnen und auch mir in diesen Tagen des Erntedankes, Gottes Initialen zu spüren:
Mehr und besser*die Liebe im Mitmenschen
zu sehen, heißt:*Ein wenig besser*das Antlitz Gottes
im Menschen zu erkennen.

Erich Gaugitsch,
Thema Pfarrblatt Herbst 2010




(red)


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