Sechster Sonntag im Jahreskreis 12.02.2017

KERNBOTSCHAFT: Gott traut uns Menschen zu, dass wir im Stande sind, Gutes vom Bösen zu unterscheiden. In diesem Zutrauen liegen die Kraft und die Motivation zur Lebens- und Welterneuerung.

Die Grundeinstellung und die Grundausrichtung christlichen Denken und Handelns: die Freiheit der Entscheidung und der Optimismus des Handelns wohnen dem christlichen Glauben inne. So klar und deutlich sind die Worte aus dem Buch Jesus Sirach, dass sie uns ein Grundverständnis für das Schöne und zugleich für die alarmierenden Missstände in unserer Welt. „Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften. Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; Gottes Wille zu tun ist Treue. Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt. Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; was er begehrt, wird ihm zuteil.“ Die persönlichen Entscheidungen von einzelnen Menschen haben gravierende Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen. Genauso gilt: die Entscheidungen, die wir treffen, sagt Wesentliches über uns aus und bestimmt die Qualität unseres Menschseins.

Jesus steht zur Tradition seines Volkes, einer Tradition für die Entscheidung für Gott: Nach wiederholten Enttäuschungen des jüdischen Volkes von seinen Führern, war die Sehnsucht nach hoffnungsvollen Veränderungen all überall zu spüren; die Messiaserwartung war entsprechend groß. Die Menschen waren davon überzeugt: Wenn der Messias Gottes kommt, dann muss er eine neue Gesellschaftsordnung, eine neue Lebensordnung bringen. Diese erwartete neue Lebensordnung beruhte aber auf der Tora, welche in den Fünf Büchern des Mose enthalten ist. Würde denn Jesus als Jude etwas Größeres als die Tora bringen? Würde er etwas ganz Neues bringen, um die brennende Sehnsucht der vielen enttäuschten Menschen zu stillen? Würde dann der Messias nicht im Widerspruch zu der geltenden Lebensordnung seines Volkes stehen? Jesus lag jedoch sehr viel an der Kontinuität der existierenden Lebensordnung. Um welche Kontinuität ging es ihm aber?

Jesus erinnert an die geltende moralische Lebens- und Gesellschaftsordnung des seines Volkes und vervollkommnet sie: In der gesamten Bergpredigt wäre es falsch, Jesus als Gesetzgeber zu verstehen. Vielmehr besteht sein Hauptanliegen darin, dass wir über das vorgeschriebene Maß des Zusammenlebens hinausgehen. Gottesbeziehung geht über den Durchschnitt unserer Alltagsnormalität hinaus. Sie verlangt von uns das tägliche Hineinwachsen in die Vollkommenheit der Liebe. Die Bergpredigt Jesu hat ein einziges Anliegen: Gottes- und die Nächstenliebe. Denn wer einen Menschen liebt, tut ihm nichts zuleide. Darum ist es gut, an berühmten Spruch des heiligen Augustinus zu erinnern: „amor et fac quod vis!“ – „Liebe und mache, was du willst!“ Die Liebe ist es, die uns verbietet, alles zu tun, was wir wollen. Wir erkennen in der Bergpredigt: „Die Botschaft Jesu verschärft den Sinn des Gesetzes, nämlich der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen, ohne neue Vorschriften zu formulieren“ (Die Botschaft, Februar 2017). Jesus hat die Einhaltung der Tora (Lebensweisung des jüdischen Volkes) mit der Gesinnung vervollkommnet. Und in dieser Gesinnung steht der konkrete Mensch im Mittelpunkt, der in sich das Bild Gottes trägt. „Erst der Blick auf andere zeigt uns, was wir wirklich sind, was in uns angelegt ist, was in uns wachsen soll und kann“ (Franz Alt). Möge der lebendige Geist Gottes, der kein Geist der toten Buchstaben ist, uns bei unseren täglichen Entscheidungen beistehen. Amen.

(red)


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