Pfarrchronik des Jahres 1946

Verfasst vom damaligen Pfarrer Hermann Franke

Nach den atemraubenden Ereignissen der letzten acht Jahre nimmt das neue Jahr 1946 einen ruhigen Anfang. Das Pfarrleben ist nicht mehr von den vielen Schwierigkeiten von außen behindert.


Tätigkeit der Gruppen

Die Männer und die Frauen halten monatlich mit einer Standespredigt und einer kirchlichen Andacht ihre außerkirchliche Runde. Nach der Wiederinstandsetzung der Baracke ist diese der Ersatz für das fehlende Pfarrheim. Vormittags halten die Schwestern dort den Kindergarten, der durchwegs von 20 bis 30 vorschulpflichtigen Kindern besucht wird; den Hort besuchen gegen 20 schulpflichtige Knaben und Mädchen. Für Kindergarten und Kinderhort ist mittags durch Vermittlung der Caritas eine Ausspeisung. Am Abend wird das Pfarrheim von der Pfarrjugend, bzw. monatlich je einmal von der Frauen- und Männerrunde benutzt. Die Glaubenslehre für die Erwachsenen ist außerdem wöchentlich nach der Abendandacht am Samstag mit einer Einführung in die Liturgie des kommenden Sonntags.

Auf Anordnung des Bischofs werden für die schulpflichtigen Kinder wie seit 1938 die Seelsorgestunden für die einzelnen Schulstufen gehalten. Die Eltern sehen die Notwendigkeit der Seelsorgestunde, neben dem jetzt obligaten Religionsunterricht in der Schule, nicht ein. Deshalb ist die Beteiligung der Schüler, besonders bei den Haupt- und Mittelschülern, gering.

Der Erstkommunionunterricht wird nur in der Pfarre erteilt; desgleichen der Firmunterricht.


Osterfeierlichkeiten

Am Karsamstag fand die Auferstehungsprozession mit Rücksicht auf die Teilnahme der Kinder um 18 h statt und war mit der in der Kirche folgenden Erneuerung der Taufgelübde ein feierliches Bekenntnis unseres Osterglaubens. Diesmal konnten wir auch eine Prozessionsmusik bestellen.

Dagegen halten wir statt der Markus-Prozession und den Bittprozessionen vor der Bittmesse in der Kirche die Allerheiligenlitanei mit den vorgeschriebenen Gebeten.


Andachten

Zum Beginn der Maiandachten hielten wir schon am 30. April die feierliche Eröffnung derselben unter Mitwirkung des Kirchenchores und Teilnahme der weiß gekleideten Mädchen. Die täglichen Maipredigten waren am Nachmittag, am Abend für die Pfarrgemeinde.

Am Fest Christi Himmelfahrt, am 30. Mai, fand anläßlich der Wiederaufstellung der Mariensäule am Hof eine große kirchliche Marienfeier auf dem Platz vor der Kirche am Hof statt, an der auch mit den Pfarren der Stadt aus unserer Pfarre Jugendliche und Erwachsene teilnahmen.

Im Juni hielten wir, wie in den Vorjahren, die tägliche Herz-Jesu-Andacht mit Predigt und einer Bittandacht zur hl. Theresia v. K. J. für die Pilger und außerdem an den Freitagen um 19 h Herz-Jesu-Andacht mit Predigt für die Pfarrgemeinde.


Pfarre staatlich anerkannt

Am 15. April wurde unsere Pfarre, die am 1. Jänner 1939 nur für den kirchlichen Bereich errichtet worden war, bzw. die staatliche Anerkennung von der nationalsozialistischen Regierung nicht erhalten hatte, als nunmehr staatlich anerkannte Pfarre mit 14 anderen Pfarren, bei denen ähnliches zutraf, zur Bewerbung vom Erzbischöflichen Ordinariat ausgeschrieben.

Am 5. Juni wurde der bisherige Pfarrverweser Geistl. Rat Hermann Franke als Pfarrer bestellt. Die Urkunde hat folgenden Wortlaut:


"Theodor Kardinal Innitzer

Von Gottes und des Apost. Stuhles Gnaden Erzbischof von Wien


Geistlichen Rat Hermann Franke

Wien XVI., Mörikeweg 22.


Ich ernenne Sie mit Wirksamkeit vom 15. Juni 1946 zum Pfarrer der Pfarre Starchant. Bei der Übernahme des Pfründen- und Kirchenvermögens in Gegenwart des hochwürdigsten Herrn Dechants, des hochwürdigsten Herrn Dekanatskämmerers und zweier zeichnungsberechtigter Mitglieder des Pfarrkirchenrates wird ein Protokoll in 3 Exemplaren ausgefertigt und von den Beteiligten unterschrieben.

Der Herr begleite Ihre pfarrliche Wirksamkeit mit seinem reichsten Gnadensegen!


Wien, am 5. Juni 1946.

Mit Segensgruß

gez. +Th. Kard. Innitzer."


Erstkommunion

Am 16. Juni war unsere Erstkommunionfeier: 32 Kinder gingen zur ersten hl. Kommunion; darunter 10 Spätlinge.


Fronleichnamsprozession

Am 23. Juni hielten wir um 16 h unsere Fronleichnamsprozession mit der Feierlichkeit der Jahre vor 1938. Der Prozessionsweg geht aber nicht mehr über die Steinhofstraße (heute Johann Staud-Straße), sondern über den Pönningerweg, Gallitzinstraße, Wanriglgasse, Starchantgasse, Winterleitengasse, Liebhartstalstraße, Gallitzinstraße, Theodor Storm-Weg, Franz Eichert-Weg und Mörikeweg. Der erste Fronleichnamsaltar war am Franziskusbrunnen, der zweite Starchantgasse Nr. 9, der dritte am Kloster der Schwestern Liebhartstalstraße, der vierte an der Gabelung Liebhartstalstraße - Gallitzinstraße. Die Altäre wurden je von der Siedlung Starchant, der Pfarrjugend, den Klosterschwestern und der Neuland-Siedlung aufgestellt und betreut. Außer einem Bläserquartett zur Begleitung der Gesänge des Kirchenchors war eine Musikkapelle gestellt. Die Beteiligung auch seitens der Wiener Bevölkerung war sehr groß.


Volksmission

Auf Anregung des Dechanten Konsistorialrat Engelhart beschlossen die Pfarren des Dekanates für die zweite Hälfte des Oktober die Abhaltung einer Volksmission. Dabei gelang es uns, als Prediger Provinzial P. Dr. R. Svoboda mit zwei anderen Kamillianerpatres zu gewinnen.

Die letzte Einladung hatte folgenden Wortlaut:

"Kommt zur großen Volksmission Eurer Pfarre! Alle sind eingeladen. Auch die Sucher und die Enttäuschten. Die sonst der Kirche fernstehen. Die aus der Kirche ausgetreten sind. Kommt trotzdem! Hört Euch einmal an, was wir Euch zu sagen haben. Bringt andere mit! Manche brauchen eine wiederholte Einladung. Wie sagt die hl. Theresia: "Keiner kommt allein in den Himmel, keiner kommt allein zur Hölle, er bringt immer andere mit!" Keine Ausreden! Sicher, Du bist müde, überarbeitet, abgespannt. Dir ist vieles egal geworden. Was soll auch das ganze Getue und Gerede in unseren Tagen? Aber hier geht es um die Grundlagen Deines Lebens - um Dein Schicksal - um den inneren Frieden! Dir ist das Religiöse vielleicht fremd geworden. Du weißt vielleicht nimmer, wie man´s macht und was man in der Kirche tun soll. Gerade dann: Komm! Hör Dir alles einmal wieder an! Du wirst dabei gewiß wieder froher, ruhiger, sicherer werden im Lebenskampf.

Dauer der Volksmission: Samstag, 12. Oktober, bis Sonntag, 27. Oktober 1946. Predigt täglich um 17 h und 19 h. Jeden Werktag in der Früh um 6, :7 und 8 Uhr hl. Messe mit kurzer Predigt. Jeden Sonntag in der Früh um 7, 8, 9 und 10 Uhr hl. Messe mit kurzer Predigt! Gelegenheit zur hl. Beichte bei den Missionären: Jeden Tag in der Kirche 6 - 9 h vormittags und 16 - 21 h abends."

Die Festpredigt am 6. Oktober zum Patrozinium unserer Kirche hielt der Kalasantinerpater Kerbler, den Pontifikalsegen Se. Gnaden Prälat Josef Wagner.

Bei der feierlichen Schlußandacht am Sonntag, den 27. Oktober, dem Christkönigsfest, war die Weihe des großen Limpias-Kreuzes als Missionskreuz.

Die Abendmesse am Allerseelentag war heuer zugleich die Totenfeier im Anschluß an unsere Volksmission. Nach der Gedenkpredigt wurden die Namen der Einzelnen verlesen und so den Angehörigen der Gefallenen noch einmal das Beileid seitens der Pfarrgemeinde zum Ausdruck gebracht.

Nach der Mission war unser Pfarrleben in allem in etwa neu erwacht, der zahlreichere Empfang der hl. Sakramente ist offenbar. Dagegen ist die St. Theresiengemeinschaft heuer um die feierliche Erneuerung ihrer Weihe im Oktober gekommen.


Den Auszug und die Zwischentitel erstellte Dkfm. Peter Engel.

(red)


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